Kirmes im Kopf

Was geht dir durch den Kopf, wenn du die Abkürzung ADHS liest? Denkst du auch sofort an kleine wilde Jungs, die immer zu viel Süßes von ihren Eltern bekommen und vor dem PC oder dem Fernseher geparkt werden? Nach der Lektüre von “Kirmes im Kopf” kann ich dir sagen, dass ADHS so viel mehr ist als das, was man im Allgemeinen darüber weiß. Mir war zwar klar, dass sich ADHS nicht raus wächst, aber ich wusste nicht, dass es kaum erforscht ist, vor allem nicht bei Erwachsenen. Wusstest du, dass in den Geschichten „Struwwelpeter“ und „Hanns Guck-in-die-Luft“ vermutlich bereits Menschen mit ADHS beschrieben wurden?  

Was ist ADHS? 

ADHS gehört laut Bundesgesundheitsministerium zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter, wobei es öfter als ich dachte auch Erwachsene betrifft. Aktuell erfolgt ein großer Teil der Aufklärung auf Social Media von Betroffenen und Fachleuten. Es ist unklar, ob die Ursachen in der Veranlagung liegen oder das Umfeld ursächlich ist. ADHS äußert sich bei jedem anders, da nicht nur die Gene unterschiedlich angelegt sind, sondern auch jeder Mensch unterschiedlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Hauptsymtome sind beispielsweise Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität. Nicht ohne weiteres sichtbar sind Begleiterscheinungen wie Gedankenkarussell, Entscheidungsparalyse, niedriges Selbstwertgefühl, Schlafprobleme, Zeitblindheit, Reizüberflutung, Stimmungsschwankungen, vergessen zu essen etc. Dieses Meme macht es etwas deutlicher: Eisberg.

 
Wie wird ADHS diagnostiziert? 

Die Diagnose bei Erwachsenen wird durch die sogenannten Wender-Utah-Kriterien nach Prof. Paul H. Wender gestellt, die erst im Jahr 2011 entwickelt wurden. Die ersten zwei der dieser Kriterien müssen zwingend erfüllt sein zusätzlich müssen mindestens zwei weitere der restlichen fünf Kriterien in unterschiedlichen Alltagssituationen über mindestens sechs Monate bestehen und spürbare Einschränkungen in mehreren Lebensbereichen verursachen. Bei Frauen bestehen allerdings Diagnosehindernisse, denn Frauen mit ADHS werden oftmals als “kleine, verpeilte, leicht chaotische Träumerliese” angesehen, denn bei ihnen sind die Symptome eher unauffällig und äußern sich zum Beispiel in Unaufmerksamkeit und Desorganisation, da Frauen bessere Kompensationsmechanismen einwickeln können und negative Auswirkungen ihrer Symptome besser verbergen. Dies birgt die Gefahr, dass weitere Begleiterkrankungen ausgelöst werden wie Angststörungen, Essstörungen oder Depressionen, weil Frauen deutlich öfter als Männer sich schämen, wenn sie meinen Erwartungen nicht zu erfüllen.  

Alina Boerger und ihre ADHS 

Alina Boerger beschreibt, dass sie sich schon immer anders gefühlt hat als andere Menschen, nicht dazugehörig. Erst vor einigen Jahren, als Erwachsene, hat sie durch einen Zufall herausgefunden, dass sie zu den Menschen gehört, die schon immer mit ADHS leben. Ich muss ja sagen, dass ich es sehr bewundere, wie die Autorin die ADHS als etwas ansieht, was sie ausmacht, statt es zu verteufeln. In bestimmten Situationen spricht sie sogar von ihrer Superkraft.  Obwohl das Buch sehr viele wissenschaftliche Erklärungen beinhaltet, schlägt sie immer wieder den Bogen zu ihrem Leben und den Symptomen, die sie an sich selber feststellt. Sie hat das Buch geschrieben, um aufzuklären und Vorurteile aus der Welt zu schaffen. Sie stellt immer wieder klar, dass ein Leben mit ADHS eine große Herausforderung sein kann und oft mit Unsicherheiten und Frustrationen verbunden ist. Da eine ADHS-Diagnose oft mit Stigmatisierung einhergeht. Ich bin jedenfalls froh über die vielen Einblicke in das Leben eines Menschen mit ADHS, denn ich konnte mir bisher nicht vorstellen, wie es ist, auf diese Art zu leben. Ich hoffe sehr, dass das mit mehr Aufklärung zum Thema das Verständnis der Bevölkerung wächst und Menschen mit ADHS sich zukünftig zeigen dürfen, wie sie sind.  

Das Buch wurde mir von Kiepenheuer & Witsch zur Verfügung gestellt. Dafür bedanke ich mich herzlich.  





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Seiten:  304

Herausgeber:  ‎ KiWi-Paperback

Erscheinungstermin:  9. Februar 2023

ISBN: ‎  978-3462004618

Über die Autorin (Quelle: Kiepenheuer & Witsch):

Angelina Boerger, geboren 1991, ist freie Journalistin und arbeitete für verschiedene funk-Formate und den WDR. Mit Ende zwanzig erhielt sie die Diagnose AD(H)S. Seitdem bertreibt sie online und offline Aufklärungsarbeit zu den Themen mentale Gesundheit, AD(H)S im Erwachsenenalter und Neurodiversität.


Foto: Annika Fußwinkel
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