KaDeWe – Haus der Wünsche von Marie Lacrosse

KaDeWe - Haus der Wünsche von Marie Lacrosse

Ziemlich genau vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der Kaufhaus-Saga von Marie Lacrosse gelesen. Leider hat es viel zu lange auf meinem Nachttisch gelegen, weil ich mich aus mir nicht bekannten Gründen davor gescheut habe, ein Buch mit 700 Seiten zu lesen. Es gab mal Zeiten, in denen ich genau diese Länge einfach verschlungen habe. Auch diesmal war das der Fall. Meine Sorge, dass ich wochenlang daran lese, hat sich also nicht begründet.

Auch dieser Teil der Saga widmet sich dem KaDeWe und seiner Entwicklung, diesmal in den Jahren 1927 bis 1934. Nachdem die Hyperinflation überstanden ist, droht dem Kaufhaus eine neue Krise. Die Nazis und damit auch der Antisemitismus erreichen nun auch das KaDeWe. Gleichzeitig erfahren auch die fiktiven Hauptcharaktere Judith und Rieke, was es heißt in einem Deutschland zu leben, das nach und nach von Rechten okkupiert wird.

Für mich ist es jedes Mal aufs Neue furchtbar traurig, diese Entwicklung Deutschlands in Büchern oder bewegten Bildern mitzuerleben. Obwohl ich jetzt schon sehr viele Bücher darüber gelesen habe und Reportagen über das Thema gesehen habe, bin ich immer wieder aufs Neue total schockiert, dass sowas überhaupt passieren konnte. Ich glaube, damit spreche ich der Autorin aus dem Herzen. Bei den Lesungen, die ich zu den Büchern besucht habe, hat sie immer wieder klar gemacht, wie sehr ihr vor allem das Kriegsthema und auch der Nationalsozialismus zu Herzen geht. Genau das kann man in diesem zweiten Band der Reihe auch so nachlesen. Ich bin mir sicher, dass sie viele ihrer Emotionen und Gedanken über das Geschehen ihren fiktiven Figuren auf den Leib geschrieben hat.

Ich habe mich öfter gefragt, wer denn nun meine Lieblingsfigur ist: Rieke, die aus einfachen Verhältnissen stammt und sich mittlerweile zur Aufsichtsdame im KaDeWe hochgearbeitet hat, oder Judith, die jüdischer Abstammung ist und sich unter anderem der Forschung sozialer Themen verschrieben hat und im Gegensatz zu Rieke über Reichtum verfügt. Fakt ist, dass beide kein leichtes Leben haben, aber durch ihre Freundschaft zueinander immer Verständnis für die jeweilige Art zu leben haben. Der Kontrast der beiden zueinander hat mir sehr gut gefallen.

Auch hier sind wieder zahlreiche historische Personen ins Geschehen eingewoben, angereichert mit einer Vielzahl an geschichtlichen Themen. Oft wurden diese nur in einem Nebensatz erwähnt, haben mir aber das Gefühl gegeben, etwas dazu gelernt zu haben. Beispielsweise, dass Modenschauen erst Ende der 1920er Jahre populär wurden oder dass Selbstbedienungsrestaurants auch erst zu der Zeit Einzug in Deutschland gehalten haben. Zugegeben, das waren Themen, über die ich nie nachgedacht habe, aber es war trotz allem interessant zu erfahren. Ich kann dir sagen, dass ich mich wie in einem 700 Seiten langen, spannendem Geschichtsunterricht gefühlt habe. Bekannte Informationen, wie beispielsweise der Börsencrash in den USA 1929 oder die Weltwirtschaftskrise 1931 hat die Autorin nicht nur erwähnt, sondern auch noch authentisch ins Geschehen eingewoben. Immerhin trugen beide Geschehnisse dazu bei, dass die Hermann Tietz OHG in Schieflage geraten ist.

Die Geschichte des Nationalsozialismus hat die Autorin ebenfalls sehr authentisch dargestellt. Für mich las es sich wie ein Abwärtsstrudel, der zu Beginn nur zögernd begonnen hat und dann immer schneller und immer schneller weiterging. Selten war mir das so bewusst, wie es mir in diesem Buch nahegebracht wurde. Erschreckend finde ich manche Parallelen zu heute, in denen Menschen einfach alles glauben, was sie irgendwo lesen oder hören und plötzlich ihre Gesinnung ändern.

Wie auch schon beim ersten Teil suggeriert das Cover des Buches, dass der Inhalt eher romantisch verklärt daherkommt. Das ist absolut nicht der Fall. „KaDeWe – Haus der Wünsche“ ist gespickt mit Gesellschaftskritik und wie schon oben erwähnt, voller Informationen. Es ist einfach kein leicht wegzulesendes Buch und meiner Meinung nach muss es auch genauso sein. Ich würde mir wünschen, dass das Buch auch von denen gelesen werden, mit dem Thema bisher nicht so vertraut waren. Diese Zeit ist absolut fürchterlich für alle, ob es nun Juden sind oder nicht, und ich hoffe, dass sowas nie wieder passieren wird.

Wenn dir der erste Teil der Reihe gefallen hat, wird dir auf jeden Fall auch der zweite Teil gefallen. Falls du dir noch nicht so sicher bist, solltest du die Leseprobe lesen. Ich bin der Meinung, dass es jeder zumindest mal anlesen sollte, um sich ein eigenes Bild zu machen. Ich hätte mir vor allem auch gewünscht, noch weitere Jahre über das weitere Bestehen des KaDeWes zu lesen, aber vermutlich gab es hier nicht so drastische Einschnitte in die Firmengeschichte wie in der Zeit seit der Gründung bis 1934.

Das Buch wurde mir von vom Goldmann Verlag zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich dafür herzlich. Dies hat meine Meinung nicht beeinflusst.   


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Seiten: 704 

Herausgeber:  Goldmann Verlag

Erscheinungstermin:  14. Juni 2023

ISBN: ‎  978-3442206391





Über die Autorin (Quelle: Goldmann Verlag): 

Marie Lacrosse hat in Psychologie promoviert und arbeitete viele Jahre hauptberuflich als selbstständige Beraterin überwiegend in der freien Wirtschaft. Ihre Autorentätigkeit begann sie unter ihrem wahren Namen Marita Spang und schrieb erfolgreich historische Romane. Heute konzentriert sie sich fast ausschließlich aufs Schreiben. Ihre Trilogie »Das Weingut « wurde ebenso zu einem großen SPIEGEL-Bestseller wie die »Kaffeehaus«-Saga. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Weinort. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung. 

© Thomas Dashuber 

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