Was Bücher mit uns machen

Was Bücher mit uns machen

Ich habe im Dezember eine Kurzgeschichte für einen Onlineadventskalender geschrieben. Eine der Reaktionen war: “Ich verstehe gar nicht, wie du dich in so eine schlimme Situation hineinversetzen kannst, obwohl du sie noch nie selber erlebt hast.” Ich muss zugeben, dass mich das zuerst getroffen hat, dann wurde mir klar, dass es eigentlich ein Kompliment war. Zugegeben, es war ein wenig seltsam ausgedrückt, aber nicht jeder ist ein Wortzauberer.  

Ich möchte heute darüber sprechen, was Bücher mit uns machen, vor allem, wenn wir viele Bücher lesen. Ich selber gehöre ja zu den Leuten, die unterschiedliche Genres lesen. Das kommt vor allem daher, weil ich mich irgendwann langweile, wenn ich immer nur Krimis oder immer nur historische Romane oder immer nur Fantasy lese – wobei Fantasy wirklich langsam mal wieder fällig ist! Ich bin mir übrigens auch sicher, dass es eigentlich heißen sollte “… was Geschichten mit uns machen.”, denn Hörbücher haben meiner Meinung nach den gleichen Effekt, wenn man sie nicht nur mit einem halben Ohr hört, sondern voll dabei ist. Geschichten verleihen uns nämlich Superkräfte, daher wünsche ich mir, dass so viele junge Menschen wie möglich schon anfangen zu lesen, sobald sie es können. Ich könnte immer einen kleinen Freudentanz aufführen, wenn irgendwer erzählt, dass das eigene Kind gerne liest oder je nach Alter gerne Geschichten hört.

Als Kind habe ich schon gerne Geschichten gelauscht und ich konnte es kaum abwarten, selber lesen zu können. Mein erstes geschummelt gelesenes Wort war “OMO” – Kreis, Zacken, Kreis – das ich meiner Mutter im Tante-Emma-Laden (sowas gab es bei uns noch!) “vorgelesen” habe. Sie war völlig aus dem Häuschen. Zur Erklärung: OMO war ein Waschmittel, ich weiß gar nicht, ob es das heute noch gibt, aber das erste Wort, das ich gelesen habe, hätte ich wohl wiedergefunden, wenn es das noch geben würde.  

Eine der Eigenschaften, die ich sehr an mir mag, ist, dass ich in den meisten Fällen offen auf Menschen zugehen kann und schnell Kontakte knüpfen kann. Das war nicht immer so, denn ich war mal total schüchtern und ängstlich, allerdings ist das lange her. Ich bin davon überzeugt, dass die Offenheit daher kommt, dass ich mich mit jedem Buch auf neue Umgebungen und Menschen einstellen muss. Es ist für mich jedes Mal, als würde ich eine real existierende Person das erste Mal treffen. Vielleicht geht es dir ja auch so? Das würde mich wirklich mal interessieren.  

Es ist ja auch so, dass die Bücher, die ich lese, nicht immer nur in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen spielen, das wäre ja auch etwas unsinnig. Ich suche mir gerne Bücher aus, die zu Zeiten und Umgebungen spielen, die ich nicht kenne, einfach um meinen Horizont zu erweitern. Das mag seltsam klingen, aber ich glaube sehr daran, dass das hilft, anderen Menschen im Real Life gegenüber offener und vor allem unvoreingenommener zu sein. Je mehr man über andere Welten (auch wenn es Fantasywelten sind) erfährt, desto mehr kann man sich für das Denken und Fühlen anderer öffnen. Genau das sorgt ja auch dafür, dass man anderen gegenüber empathischer ist, denn die Gefühle des jeweiligen Autors stecken ja ebenfalls im Buch und werden über die Figuren direkt zum Leser transportiert. Diese Gefühlt kann kein Autor so richtig zurückhalten, außer er möchte ein langweiliges Buch schreiben, das sachlich klingt.  

In den letzten Jahren habe ich Bücher über Persönlichkeitsentwicklung für mich entdeckt. Was das bedeutet, muss ich wahrscheinlich nicht ausdrücklich erklären. Ich kann nur sagen, dass mir in dieser Zeit einiges über mich klar geworden ist und ich total froh bin, dass ich mich auch dafür geöffnet habe. Probiere es mal aus. Du wirst einige Aha-Momente erleben und nach und nach wirst du dich zu dem Menschen entwickeln, der du sein möchtest. Das manchmal nicht einfach, es gibt auch Rückschläge, aber du bist dir irgendwann sicher, was du im möchtest und was du nicht möchtest.  

Nicht selten habe ich mich dabei erwischt, dass ich ein Buch lese und mir eine eigene Story dazu überlegt habe. Ob es jetzt um einen Mord geht, den ich lösen möchte oder eine Fantasywelt, in die ich eintauche. Im Alltag passiert es mir oft, dass ich eine kleine Handlung eines Menschen sehe oder eine Situation sehe und mein Kopf eine eigene Geschichte daraus bastelt. Auch das schiebe ich aufs Lesen, denn all die unterschiedlichen Geschichten regen die Kreativität an. Das war bei mir übrigens auch schon immer so. In den Zeiten vor Smartphones habe ich beispielsweise an einer Kasse angestanden und mir überlegt, wie der Mensch vor mir lebt. Hat sie eine Familie? Wie viele Kinder hat sie? Wie heißen sie und wie alt sind sie? Ist sie verheiratet? Warum geht sie gerade heute einkaufen und wie viel Stress hat sie im Alltag und warum? Je nach Wartedauer hatte ich dann am Ende eine Biografie des Menschen im Kopf, die wahrscheinlich mit der realen Person gar nichts gemeinsam hatte. Leider mache ich das jetzt viel zu selten, weil ich mich meistens mit dem Smartphone ablenke. Aber dafür ist 2024 bei mir auch da: Noch mehr Fantasie, weniger unsinniges Zeug machen.

Mir ist aufgefallen, dass es viele Menschen gibt, die nur das Problem sehen. Ich sehe mich eher als Problemlöserin. Egal, um welches Thema es geht. Das Problem ist ja schon da, es muss jetzt irgendwie kreativ gelöst werden. In Büchern erlebt man viele verschiedene Perspektiven, Situationen und deren Lösungen, daher bin ich mir sicher, dass immer etwas irgendwo hängen bleibt. Nicht umsonst habe ich das Zitat “I am a part of everything that I have read” (das hat angeblich Theodore Roosevelt gesagt) auf dem Arm tätowiert. Das trifft es meiner Meinung bei lesenden Menschen ziemlich gut, auch wenn man es auf den ersten Gedanken gar nicht so richtig fassen kann. Nicht nur bei Problemlösungen helfen Bücher, sondern auch beim kritischen Denken, da man so viele unterschiedliche Perspektiven kennengelernt hat.  

Ich bin jedenfalls froh, dass ich dieses wundervolle Hobby schon als Kind entdeckt habe und kann bis heute nicht genug davon bekommen, in die Gedankenwelt anderer Menschen einzutauchen. Denn selbst in einem Sachbuch ist ja immer ein Teil des Menschen enthalten, der das Buch geschrieben hat.  

Findest du dich in einigen oder sogar allen Aspekten wieder? Mich würde sehr interessieren, was du darüber denkst. Kommentiere einfach hier oder auf Social Media.  

3 Kommentare zu „Was Bücher mit uns machen“

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